Wallfahrt 2023

Wallfahrtsmotto 2023:

„Habt Vertrauen, ich bin es, fürchtet euch nicht.“ Mt. 14,27

Predigt: 1. Mai 2023 von Pfarrer Johannes Bartke

Liebe Pilgerinnen und Pilger, Schwestern und Brüder!

Der Moderator der Tagesthemen – Ingo Zamperoni – beendet seine Sendung häufig mit dem Satz: „Bleiben Sie zuversichtlich“. Man könnte diesen Wunsch als ein Relikt aus der Coronazeit wahrnehmen. Es gab noch andere Sätze während dieser Zeit: Bleiben Sie gesund oder passen Sie gut auf sich auf. Aber es sind ja nicht nur Worte aus der Pandemie.

„Bleiben Sie zuversichtlich“ – ein Mutmachspruch und noch viel mehr. Wie kann man das sagen und seine Sendung so beenden, wenn man vorher so viele schlechte Nachrichten verkünden muss. Was für eine Hoffnung steckt in einer solchen Zusage. Woher nimmt der Moderator diesen Mut? In diesem Wunsch kann man ja auch eine versteckte religiöse Aussage spüren – eine säkulare religiöse Aussage, ohne den Namen „Gott“ zu erwähnen.


Bleiben Sie zuversichtlich. Bleiben wir zuversichtlich. Bleib zuversichtlich.
Haben wir einen Grund dazu? Haben wir nicht eher Probleme mit der Zuversicht?
In Kirche und Gesellschaft, im persönlichen Umfeld, ganz weit: in unserer Welt überhaupt. Es gibt andere Worte, die fast wie abgerissene Wortfetzen wirken und sich einer Resignation entgegen stemmen. Sie heißen: – trotz allem (mach weiter) – dennoch – bleib da (tritt nicht aus). Sie wirken wie Durchhalteparolen nach dem Motto: Am Ende des Tunnels gibt es wieder Licht oder: es wird mal wieder anders oder: Wir lassen uns nicht unterkriegen.


Es wäre zu wenig, wenn wir nur diese Parolen hätten.
Wir haben noch einen anderen, tieferen Grund: „Habt Vertrauen! Ich bin es. Fürchtet euch nicht!“ So steht es im Evangelium, das wir gerade gehört haben.
Und dieses Mutmach-Evangelium wird – den Jüngern zuerst und uns heute – in eine Situation hineingesagt, die bedrohlich ist, die uns Angst und Schrecken einjagt:
das Boot, in dem die Jünger sitzen, ist seit den Anfängen ein Symbol für die Kirche. Wir sitzen zusammen in diesem Boot, das ja im Laufe der Jahrhunderte zu einem riesigen Luxusliner geworden ist. Und wir spüren all das, was in diesem Abschnitt kurz beschrieben ist: der Gegenwind, die Nacht, die Angst, das Auftauchen eines Unbekannten (scheinbar Unbekannten). Wir könnten all das jetzt mit Namen und Situationen füllen – von welchen Seiten auch immer.

Und da traut sich jemand aufs Wasser. In einem Bild von Ernst Alt wollen ihn die anderen Jünger zurückhalten. Aber dieser Petrus ist ganz Ohr. Der I. Papst traut sich aufs Wasser – verlässt sicheren Boden – nur, weil Jesus ihn ruft. Übrigens ist von den anderen im Boot gar nicht mehr die Rede – vielleicht haben sie sich weggeduckt.


Schauen wir noch mal auf den Dialog zwischen Jesus und Petrus:
Der vertraute Jesus sagt: Fürchtet euch nicht. Ich bin es.
Der mutige Petrus antwortet: Wenn du es bist, dann wage ich etwas.
Der auffordernde Jesus ermutigt: Komm.
Der ängstliche Petrus: Herr, rette mich, ich gehe unter (ich habe Angst vor meiner eigenen Courage).
Der rettende Jesus: Warum hast du gezweifelt, du Kleingläubiger.
Und im sicheren Boot bestätigen alle: Du bist der Sohn Gottes.

Es ist ein Begegnungsgeschehen besonderer Art. Wenn das Boot die Kirche ist und Petrus der Prototyp eines glaubenden Menschen – ja eine Leitfigur – dann geschieht diese Szene immer wieder: die unverhoffte Gegenwart Jesu, die Zusage: ich bin es, dass sich einlassen, die Erfahrung der Schwäche, die neue, rettende Erkenntnis: ja, wir gehen nicht zugrunde.
Verantwortliche für das Wallfahrtswesen haben dieses Motto in diesem Jahr gewählt.
Wahrscheinlich sehr bedacht, auch um Hoffnung zu geben. Oder sich an eine Hoffnung auszurichten. Jede Wallfahrt ist Ausdruck von Hoffnung. Denn in der Wallfahrt vollzieht sich das, was das 2. Vatikanische Konzil vor mehr als 60 Jahren beschrieben hat:
Wir sind Volk Gottes – unterwegs mit einer Verheißung.
Wir sind Gottes Volk – unterwegs mit einer Hoffnung.

Hoffnung – nach einem Zitat von Vaclav Havel – ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht, sondern die Gewissheit, dass etwas Sinn hat, egal wie es ausgeht.
Es ist eine Hoffnung, die wir mit Petrus und den Jüngern im Boot teilen. Und hier an diesem Ort vor allem auch mit Maria teilen. Petrus und Maria sind somit unsere Weggefährten. Amen.